Im deutschen Alltag sind Corona-Maßnahmen vielerorts kaum noch zu sehen. Rufe nach einer Rückkehr zur Normalität werden lauter, auch Expert:innen sehen Fortschritte. Sind die Alarmzeiten jetzt bald vorbei?
Es sind Anzeichen für eine neue Phase im Umgang mit dem Virus: Obwohl sich weiterhin Zehntausende Menschen pro Woche mit Corona infizieren und mehrere Hundert Todesfälle hinzukommen, mehren sich auch in Deutschland die Signale für weitere Lockerungen. Druck dafür kommt von vielen Seiten. Die Isolationspflicht für Infizierte ist in ersten Bundesländen passé, Maskenregeln in Bus und Bahn bröckeln, bei Gratis-Schnelltests wird gekürzt. Naht eine Kehrtwende beim Krisenmanagement nach fast drei Jahren Pandemie – und wenn ja, wann?
Begründet werden die Lockerungen vor allem mit mehr Eigenverantwortung und höherer Immunität in der Bevölkerung durch Impfungen und Infektionen. Der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (Stiko), Thomas Mertens, hält Corona inzwischen für eine endemische Virusinfektion.
Pandemie vs. Endemie Aus Sicht von Stiko-Chef Mertens ist eine Pandemie vor allem dadurch definiert, dass ein weltweit unbekannter Erreger, mit dem Menschen keine immunologische Erfahrung haben, in die Bevölkerung einbricht. Das sehe er nicht mehr als gegeben, sagt Mertens. Auch Hajo Zeeb vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie sieht Deutschland im Übergang zur Endemie. Dabei bedeute endemisch, dass das Virus sich bei uns eingenistet habe und nicht mehr weggehe. Es tritt dann in einer Region relativ konstant auf, wie etwa die Grippe. „Ob wir die endemische Lage erreicht haben, wird sich endgültig erst nach dem Winter beantworten lassen.“
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sieht das Ende der Pandemie jedenfalls noch nicht gekommen. Man befinde sich in einer günstigeren Phase als je zuvor, aber dies sei immer noch eine Pandemie, sagt WHO-Europadirektor Hans Kluge. Doch auch er sehe Anzeichen, dass man gerade in eine neue Phase eintrete. Als Gründe nennt Kluge die leichtere Übertragbarkeit und geringere Krankheitsschwere der dominierenden Omikron-Variante in Verbindung mit der höheren Immunität der Bevölkerung.